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Eltern wünschen sich nichts mehr, als dass ihr Kind gesund und glücklich ist und stellen sich dazu viele Fragen: „Schränkt eine Puppenküche die kreative Entfaltung meines Kindes ein?“. „Soll es einen Englischkurs besuchen, um einmal gute Möglichkeiten in der Arbeitswelt zu haben?“. „Bringt Klavier oder Geige mehr Vorteile?“. „Ist Waldorf oder Montessori besser für mein Kind geeignet?“
Aber was brauchen Kinder wirklich? Dazu muss ein Blick in die Gehirnentwicklung des Kindes geworfen werden.
Prof. Dr. Hüther sagt:
„Kinder brauchen Gemeinschaften, in denen sie sich geborgen fühlen, Aufgaben, an denen sie wachsen und Vorbilder, an denen sie sich orientieren können.“
Blick in die Gehirnentwicklung
Ohne einen Blick auf die Neuronen und ihre Arbeitsweise zu werfen, ist es schwer zu verstehen, wie Lernen funktioniert und was Kinder brauchen. Das Lernen lebt von der Wiederholung – der Rat: Häufig, aber kürzer üben. Dabei geht es nicht darum, immer dieselben Inhalte zu wiederholen, sondern verschiedene Aufgaben anzubieten, die immer neue Herangehensweisen erfordern. Je öfter dieser Prozess wiederholt wird umso leichter kann das Gelernte abgerufen werden.
Babys kommen mit den Ressourcen zur Welt, zu lernen. Sie erkunden die Welt und lernen viele Eindrücke und Reize kennen. Sie reagieren auf die Mutter, das Kuck-Kuck-Spiel und Berührungen. Milliarden von Nervenzellen sind bereits vor der Geburt angelegt und warten darauf, befüllt zu werden. Bereits nach der Geburt setzt ein Sprung in der Gehirnentwicklung ein, denn die Sinnesorgane nehmen ihre Arbeit auf – alles, was das Baby nun sieht, hört, riecht oder spürt beeinflusst die weitere Entwicklung.
Im ersten Lebensjahr nehmen die Verknüpfungen im Gehirn sprunghaft zu – viele der Verbindungen werden aber langsam wieder abgebaut, weil sie nicht gebraucht werden. Das Gehirn vollbringt in den ersten Lebensjahren Meisterleistungen. Aber dennoch sind diese Erfolge für viele Eltern zu wenig.
Das Projektkind
Medien erinnern Eltern ständig daran, wie Kinder sein sollten, oder wie nicht, um künftig nicht zu scheitern. Kinder dürfen heute nicht einfach nur Kinder sein, sie müssen auf das Leben vorbereitet werden. Sie müssen sportlich, neugierig, kreativ, computerbegeistert, mehrsprachig und erfolgreich sein. Ein Durchschnittskind? – Unmöglich. Es muss schon anders sein. Kann ein Kind diesen Anforderungen nicht standhalten, wird nach Ursachen gesucht, es werden Experten herangezogen und Förderkurse belegt. Es nicht zu schaffen würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Eltern versagt haben. Infolgedessen ist die ganze Woche 12mit Kursen verplant, für das Kind. Nur zum Wohle des Kindes, denn jetzt ist die beste Zeit, seine Zukunft vorzubereiten.
Einfach nur spielen und Kind-sein hat an Bedeutung und Stellenwert verloren. Die Leidtragenden sind hier jedoch die Kinder, die mit diesen Ansprüchen überfordert sind. Denn der hohe Leistungsdruck und die Erwartung, immer Top-Ergebnisse zu liefern, rauben Kindern ihre Kindheit. Dabei sollten sich Eltern einfach einmal zurückerinnern. Wodurch haben sie selbst eine glückliche Kindheit erlebt? Woran können sie sich erinnern? Waren es Klavierkurse oder waren es Abenteuer mit Freunden auf dem Spielplatz oder im Wald? Kinder brauchen keine Eltern um sich, die ihre Elternschaft über die Erfolge der Kinder definieren, sondern empathische, zuverlässige Menschen.
Es sind persönlichkeitsbildende Werte, die Kinder brauchen und nicht mit pädagogisch wertvollem Spielzeug überfüllte Kinderzimmer.
13 Dinge, die dein Kind braucht, damit es glücklich wird
Der Mensch kommt mit einem offenen, lernfähigen und durch individuelle Erlebnisse formbarem Gehirn zur Welt. Andererseits braucht kein anderes Lebewesen so lange für seine Entwicklung und ist so lange auf Fürsorge und Schutz angewiesen. Auch die Gehirnentwicklung ist beim Menschen im Gegensatz zu anderen Lebewesen in einem hohen Ausmaß von emotionalen, sozialen und intellektuellen Kompetenzen der Bezugspersonen abhängig.
Was brauchen also Kinder um glücklich zu sein?
1. Zeit: Kinder möchten die Welt um sich herum entdecken. Es gibt nichts, was uninteressant sein könnte: Kieselsteine, Käfer, Blumen, Blätter – genau das finden Eltern schön. Sie lernen die Kleinigkeiten des Alltags wieder zu schätzen. Statt Kindern Zeit einzuräumen, hört man immer: „Komm geh weiter!“, „Schnell, wir kommen sonst zu spät!“, „Trödel nicht schon wieder.“
2. Ruhe: Kinder dürfen heute nicht mehr in Ruhe spielen und sich vertiefen. Der Spruch: „Wenn es im Kinderzimmer ruhig ist, ist es schon zu spät“ steht genau dafür. Kinder werden in einem Ausmaß von ihren Eltern kontrolliert, das dem Anspruch an Ruhe nicht gerecht wird. Zeit und Ruhe zum Spielen und Lesen, zum Lachen und Träumen sind Eckpfeiler, die eine gute Entwicklung ausmachen.
3. Sichere Bindungen: Nur wer Kindern eine echte Beziehung anbietet, bleibt mit ihnen (auch in der Pubertät) in Kontakt und nimmt an ihrem Leben teil. Eine sichere Bindung ist die Grundlage für die Beziehungsfähigkeit des Kindes und die Basis für sein künftiges Leben.
4. Vertrauen erleben: Wer als Kind kein Vertrauen erlebt, knabbert daran sein ganzes Leben. Eltern dürfen ihren Kindern zutrauen, dass sie alleine das Klettergerüst bezwingen, den Schulweg alleine schaffen und zur vereinbarten Zeit zu Hause sind. Sie dürfen darauf vertrauen, dass sich ihr Kind auch ohne Förderkurse zu einem wunderbaren Menschen entwickelt.
5. Respekt erfahren: Kindern mit Respekt auf Augenhöhe zu begegnen heißt nicht, sie wie Erwachsene zu behandeln. Es bedeutet viel mehr, sie als Mensch auf dieser Welt anzunehmen, ihre Bedürfnisse und Charaktereigenschaften zu respektieren. Erziehung heißt nicht, das Kind in eine Richtung zu ziehen, sondern eine Beziehung mit ihm aufbauen.
6. Verstanden werden: Nur wer Kindern zuhört weiß, was sie bewegt. Kinder möchten verstanden und angenommen, ohne beurteilt zu werden. Sie brauchen jemanden an ihrer Seite, der ihnen zuhört, der sie versteht und der gemeinsam mit dem Kind versucht, eine Lösung zu finden.
7. Gefühle erleben: Kinder müssen erfahren, dass sie ihre Gefühle ausleben dürfen. Ob das nun als Baby ist, das abends noch seine Erfahrungen verarbeitet oder als 3-jähriges Kind, das von seinen Gefühlen überrollt wird und „trotzt“. All diese Erfahrungen machen es Kindern möglich, ihre Gefühle zu erleben.
8. Gewaltfreiheit erfahren: Weder psychische Gewalt in Form von „Wenn-dann-Beziehungen“ und Erpressung haben etwas mit einer Beziehung zu tun, noch physische Übergriffe wie der Klaps auf den Po, ein Klopfen auf die Finger oder die gesunde Watsch’n. Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung.
9. Mitsprache haben: Kinder wollen das Familienleben mitgestalten und nicht zum Mittelpunkt werden. Sie möchten mitentscheiden dürfen, wohin der nächste Ausflug gehen soll, was es abends zu essen gibt oder welche Hose sie anziehen. Denn dadurch lernen Kinder das Zusammenleben, das Eingehen auf Kompromisse und die Tatsache, dass es mit einer kurzen Hose im Winter kalt ist.
10. Neugierde erleben: Alle Kinder kommen mit einer natürlichen Neugierde zur Welt – die Hauptaufgabe der Eltern besteht darin, diese zu fördern, zu bewahren und zu unterstützen. Wer Neugierde erleben darf, ist offen für Neues und interessiert.
11. Natur erfahren: Es gibt viele Studien darüber, wie die Natur unsere Kinder beeinflusst und wie wichtig sie für ihre Entwicklung ist. Erst durch das Verdrängen der Natur werden Kurse und Förderangebote größer, Kinder mit „Defiziten“ und ADHS werden zu einem gesellschaftlichen Problem. An diesem Phänomen ist sicher nicht nur die fehlende Natur „schuld“, aber es ist ein Teil, der sich verändert hat. Alle Erfahrungen, die Kinder brauchen, erfahren sie in der Natur. Sie lernen Achtsamkeit, Respekt, den Lauf des Lebens, Sinneseindrücke und Kreativität durch viele Handlungsmöglichkeiten und Selbsterfahrung.
12. Kinderbanden gründen: Kinder lernen am besten, wenn sie ihren Lernstoff selbst bestimmen können. Das sollte nicht nur in der Schule möglich sein, sondern das geht mit anderen Kindern zusammen. Zwar sind die Kinderbanden durch die Reduzierung der Natur im Aussterben begriffen, doch es gibt sie noch immer. Meist sind es dann aber beobachtete Gruppen wie etwa im Kindergarten – wichtiger sind jedoch die unbeobachteten Kindergruppen, wo keine Erwachsenen ein Auge auf das Geschehen werfen.
13. Eigene Erfahrungen machen: Nur wenn Kinder eigene Erfahrungen machen, können sich die Hirnrinde und der Strinlappen entwickeln – diesen Bereich brauchen wir, wenn wir uns ein Bild von uns selbst machen sollen, wenn es um Aufmerksamkeit geht, um die Planung von Handlungen und die Entwicklung von Empathie. Genau diese Erfahrungen brauchen Kinder für ihr künftiges Leben.
Jedes Kind ist einzigartig und entwickelt sich anders. Jedes Kind bringt einzigartige Potentiale mit. Wie sich diese entfalten, hängt von den Bedingungen ab, die das Kind vorfindet und von den Erfahrungen, die es macht. Viele unterschiedliche Angebote und Herausforderungen, um die Verschaltungen im Gehirn auszubauen, weiterentwickeln und zu festigen unterstützen die Entwicklung. Um Vertrauen und Mitgefühl zu entwickeln, brauchen Kinder aber auch einfühlsame, fürsorgliche Menschen um sich, die ihre Bedürfnisse ernst nehmen – damit sind nicht nur die Eltern gemeint, sondern auch Betreuungspersonen in Einrichtungen. Beständige liebevolle Beziehungen sind ein Grundlage für die künftige Beziehungsfähigkeit des Kindes.
Erfolgreich lernen mit ADHS: Der praktische Ratgeber für ElternTaschenbuch von Stefanie Rietzler
Ich dreh gleich durch!: Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen Gebundenes Buch von Anna Maria Sanders
DHS: 100 Tipps für Eltern und Erzieher (HELP – Hilfe für Eltern, Lehrer, Pädagogen) Taschenbuch von Wolfdieter Jenett
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