Von Ankern, dem Loslassen und was der Schulbeginn sonst noch mit sich bringt

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Die erste Woche hat Frau Schnecke nun in der Schule hinter sich und es war eine Woche voller Höhen und Tiefen, von Freud, Tränen und viiiiiiel Müdigkeit. Ich habe meine Tochter als sehr gestresst, überdreht, überfordert, erschlagen von den vielen Reizen und Eindrücken und sehr im Ungleichgewicht wahrgenommen. Es war für uns alle eine anstrengende Woche. Doch starten wir mit einem Wochenrückblick:

Montag: Schon um halb 7 standen zwei fertig angezogene, Zähne geputzt und Haare frisierte aufregte Schulkinder vor uns, die uns sanft mit den Worten „Guten Morgen ihr Schlafmützen“ weckten. Ich dachte mir nur: Spätestens nach der ersten Schulwoche ist es umgekehrt. Nach einem gemütlichen Familienfrühstück mit Müsli, Vollkornbrot, Butter, Marmelade und einigen Käsesorten, starteten wir um halb 9 in Richtung Schule.

Auch Minimi war aufgeregt, endlich mal IN das Gebäude zu dürfen, vor dem wir sonst ja nur wartend stehen. Eine Stunde Schulluftschnuppern verging wie im Flug. Es wurde getanzt, vorgelesen, einander vorgestellt und nach der Übergabe der Lesegeschenke, war es auch schon wieder um. Auf Wunsch von Frau Schnecke, die dauergrinsend herumlief, gingen wir alle zusammen „groß“ essen. Dann machten vor dem ersten Regenschauer noch ein paar Fotos vom stolzen Schulkind (es war ihr Wunsch) und verbrachten den Nachmittag mit einigen Spielen und Mary Poppins. Ganz unaufgeregt und sehr gemütlich.

Dienstag: Neben drei Stunden in der Schule, begann auch für Minimi wieder die Kindergartenzeit. Herr Bart und ich nutzten die Gelegenheit für eine Elternauszeit und gönnten uns ein leckeres Frühstück. Gefolgt von einem Einkaufsbummel zu meinem Lieblingsstoffgeschäft. Der Herbst steht bevor und es müssen noch die ein oder anderen Kleidungsstücke genäht werden. Dennoch vergingen die drei Stunden recht zügig und wir kehrten zur Schule zurück, um die Kinder zu holen und anschließend mit ihnen noch Mittag zu essen. Von der Schule gab es ein Lunchpaket, da konnte meine Gemüsesuppe nicht mithalten.

Nachmittags wurde Frau Schnecke von den Großeltern zum Uhreneinkauf abgeholt. Ein Ritual, das sie sich mit den Kindern ausgemacht haben. Frau Schnecke freute sich schon sehr darauf, denn die erste Uhr ist ein lang ersehnter Wunsch. Wir holten inzwischen noch Minimi vom Kindergarten ab und vertratschten uns doch glatt mit einer anderen Mama. Abends stand das Klassenforum mit Anwesenheitspflicht aller Eltern an. So übergaben wir die Kinder in die Obhut der Großeltern mit der dringlichen Bitte, sie recht pünktlich ins Bett zu bringen. Ich habe normalerweise nichts gegen lange Großeltern-Zu-Bett-Geh-Abende, doch der nächste Tag wurde lang, bis halb 4.

Mittwoch: Ab heute wurde es schwierig. Minimi war müde und geschlaucht vom Kindergarten, Frau Schnecke wünschte sich nichts mehr, als nach der Schule in ihrem Zimmer Ruhe zu haben. Und Frau L. kannte sich nicht aus, denn das war ja eh nicht so wild. Frau Schnecke war müde, und wie. Sie legte sich sogar freiwillig hin, döste ein paar Minuten und lauschte dabei einer Hör-CD. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Minimi stand aber vor der Zimmertür, laut schreiend, dass sie auch hinein möchte.

Ich stand vor dem Dilemma: Eigentlich würde ich gerne mit Frau Schnecke nun ein wenig über ihren Tag plaudern, sie erzählen lassen, aber Minimi konnte so nicht alleine bleiben. Ich entschied, die Situation zu vertagen. So machte ich es mir am Sofa mit Minimi gemütlich und merkte, dass wir an den nächsten Nachmittagen kein „Programm“ brauchen, sondern Ruhe und Rückzug. Ich höre ihnen interessiert zu und erwische mich immer bei dem Gedanken, wie toll sie sind und die neue Situation annehmen.

Donnerstag: Das Aufstehen wird schwerer. Ich wusste es doch. Wieder verbrachten wir den Nachmittag gemeinsam zu Hause. Die Kinder erzählen viel und ich bekam das erste gelernte Wort von Frau Schnecke vorgeschrieben: Ich. Ein ganz wichtiges Wort, auch für den Schulanfang. Jedes Ich, das hier nun in einer neuen Gruppierung aufeinandertrifft, muss erst seinen Platz finden. Erfahren, wo jeder einzelne hinpasst und ausprobieren, wo es sich gut anfühlt. Das Ich, mit dem nun jedes Kind in die Schule kommt, wird langsam im Laufe des Jahres zu einem Wir werden. Dann wird Frau Schnecke richtig angekommen sein. Derzeit stecken wir mitten in dem Findungsprozess und auch in der „Probephase“, ob ein Schulkind zu Hause nicht auch doch andere Privilegien haben kann. Schließlich muss man zeigen, dass man auch wirklich groß ist – was meist in vielen Diskussionen, Wiederholungen und Kompromissen endet. Anstrengend, aber gut für ihre Entwicklung.

Freitag: Schulschluss um 14 Uhr und gemeinsam gehen wir Minimi vom Kindergarten abholen. Frau Schnecke wird von ihren ehemaligen besten Freunden stürmisch umarmt, abgeküsst, ja schon fast mit Freude und Liebe erdrücke. Sie wollten sie kaum loslassen. Es war berührend und tat mir ein bisschen weh, denn so viel Zeit wird sie mit ihnen nicht mehr verbringen können. Die Lebensmodelle haben sich verändert und so auch die Nachmittagsbeschäftigungen.

Doch die Bedeutung und die Wichtigkeit des Bekannten, des Vertrauten, der Anker wurden hier deutlich sichtbar. Ich freute mich schon, sie damit überraschen zu können, dass wir den Sonntag gemeinsam mit ihrer jahrelangen besten Freundin aus dem Kindergarten verbringen. Nachmittags legte sich Frau Schnecke wieder ein wenig hin, um dann stolz erklären zu können, dass sie nach der Schule nie müde sei. Kann man ja leicht sagen, wenn man sich gerade gut ausgeschlafen hat. Aber ich habe ihr Zeit und Raum dafür gegeben, sie brauchte es einfach und das war gut.

Das Wochenende sollte dann recht ruhig ablaufen, aber es kommt ja immer anders, als man denkt. Wir waren auf einem Straßenfestival, länger als gewollt, besuchten eine Biomesse und ließen uns dann noch dazu überreden, bei einem Kinderfest im Park vorbeizuschauen. Uff. Wir waren alle müde. Aber der Nachmittag mit der besten Freundin war wichtig für Frau Schnecke. Einmal nichts Neues, keine neuen Kinder, keine neuen Aufgaben und Pflichten, sondern einfach ein ausgelassener Spielenachmittag. Genau das brauchte Frau Schnecke auch. Und das zeigte mir immer mehr, wie wichtig die altbekannten Rituale und Anker für sie in dieser Zeit der Umstellung und Neuorientierung nun sind. Auch die nächtlichen Besuche im Elternbett könnten dafür ein eindeutiges Anzeichen sein. Sie sucht die Nähe und das Vertraute, um sich dem Neuen und Fremden öffnen und stellen zu können. Großartig, wie sie die Situation meistert.

Und wie verlief bei euch die erste Schulwoche?

Deine Anna

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