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Ob es das KiSS-Syndrom wirklich gibt, löst zwischen Ärzten und Alternativmedizinern immer wieder große Diskussionen aus. Immerhin sollen 5 Prozent aller Babys unter dem KiSS-Syndrom leiden, wenn sie von Dauerschreien, Schlaflosigkeit und einem asymmetrischen Kopf betroffen sind. Besonders Alternativmediziner halten das KiSS-Syndrom für die Ursache vieler Entwicklungsstörungen und –verzögerungen. Doch was ist das KiSS-Syndrom?
KiSS-Snydrom – Kopfgelenk-induzierte-Symmetrie-Störung
Der gelernte Chirurg Heiner Biedermann gilt als der Erfinder des KiSS-Syndroms. Aus dem umliegenden Ausland pilgern jährlich zahlreiche Eltern zu ihm in seine Praxis am Kölner Barbarossaplatz, um ihr Kind bei ihm vorzustellen. Monatelange Wartezeiten nehmen Eltern von Kindern gerne in Kauf, wenn sie das Gefühl haben, etwas stimmt mit ihnen nicht. Häufig sind es dieselben Symptome. Das Baby weint viel, es ist unausgeglichen, es trinkt schlecht und liegt mit einer C-Haltung, ähnlich einem Kipferl, im Bett.
Heiner Biedermann geht davon aus, dass die Ursachen für das KiSS-Syndrom schon in der Schwangerschaft und bei der Geburt liegen – gewaltige Kräfte wirken auf den Babyhals und das könnte zu verschobenen Hauswirkel führen, die zu einer Blockade führen können. Was so kompliziert klingt, wird unter dem Begriff „KiSS“ abgekürzt. KiSS ist keine Krankheit, sondern eine Fehlstellung der ersten beiden Halswirbel, die den Kopf mit der Wirbelsäule verbinden. Die beiden obersten zwei Halswirbel Atlas und Axis haben besondere anatomische Eigenheiten. Beim KiSS-Syndrom werden zwei Arten unterschieden: Das KiSS I und das KiSS II, die sich in ihren funktionellen Auswirkungen voneinander unterscheiden, aber häufig gemeinsam auftreten.
KiSS I ist eine fixierte Seitenneigung des Kopfes, ein muskulärer Schiefhals, wie er früher von Ärzten bezeichnet wurde. Jedoch bezieht sich die Symptomatik nicht ausschließlich auf den Kopf, sondern auf den gesamten Körper, der asymmetrisch scheint.
Für KiSS II ist kennzeichnend, dass der Kopf in einer Rückbeuge steht. Vor allem beim Schlafen kann dieses Symptom beobachtet werden, wenn der Schädel am Hinterkopf abgeplattet ist und die Kopfhaltemuskulatur allgemein schwach bzw. wenig ausgeprägt ist. Bei KiSS II ist auch die Mundmuskulatur betroffen, was sich vor allem beim Stillen bemerkbar macht. Das Baby hat an einer Brust große Schwierigkeiten zu trinken, es kann nicht Saugen oder Schlucken und führt zu häufigem Erbrechen, weil das Baby viel Luft schluckt. Besonders bei Stillkindern fällt dieser Unterschied auf, denn Flaschenkinder werden häufig immer in derselben Richtung gefüttert.
Ein Zusammenhang zwischen der Wirbelfehlstellung und Entwicklungsverzögerungen konnte bisher nicht wissenschaftlich bewiesen werden, doch Alternativmediziner sprechen sich für die Existenz der Krankheit aus aufgrund der Therapieerfolge.
Ursachen für das KiSS-Syndrom
Bewiesen ist es nicht, aber das KiSS-Syndrom wird mit trautmatischen Geburtserlebnissen in Verbindung gebracht, wie etwa:
- Eine Zangengeburt oder eine Geburt mit Saugglocke
- Ein Kaiserschnitt bzw. Notkaiserschnitt
- Belastung der Halswirbelsäule während der Geburt
- Mehrlingsgeburten
- Geburtsgewicht über 4kg
- Steißlage im Mutterleib
- Geburt in Beckenendlage (BEL)
- Sehr schnelle Geburt
Woran erkenne ich das KiSS-Syndrom?
Typisch für ein Baby mit KiSS-Syndrom ist, dass das Baby eine bevorzugte Richtung hat. Die Anzeichen können sein:
- Überstrecken des Körpers
- Schiefhaltung des Kopfes und des Rumpfes
- Abgeplatteter Hinterkopf
- Asymmetrische Schädelform
- Schieflage beim Liegen
- Kopfhalte- und Kopfdrehschwierigkeiten
- Gesichtsasymmetrie
- Ungleiche bzw. einseitige Bewegung der Arme und Beine
- Fehlstellung der Füße
- Unreife Hüftgelenke
- Anhaltendes Schreien, besonders beim Hochnehmen
- Ablehnung und Vermeidung der Bauchlage
- Bevorzugte Blickrichtung
- Bevorzugte Brust beim Stillen
- Trinkprobleme, Sabbern und Schluckbeschwerden
- Schlafstörungen
- Entwicklungsphasen werden übersprungen
Behandlung des KiSS-Syndroms
Alternativmediziner sind überzeugt, dass ein unbehandeltes KiSS-Syndrom zu Störungen in der Entwicklung führen kann. Folgen können motorische Probleme sein, aber auch Haltungsschäden, Schlafstörungen, Entspannungsschwierigkeiten, eine gehemmte Sprachentwicklung etc. Beim heranwachsenden Kind soll das KiSS-Syndrom, dann KiDD-Syndrom (Kopfgelenk-induzierte Dyspraxie/Dysgnosie) genannt, zu Konzentrationsstörungen, Lernstörungen, ADHS, Kopfschmerzen, Bettnässen und Migräne führen.
Solltest du also den Verdacht haben, dass dein Baby unter dem KiSS-Syndrom leidet, dann besprich deine Befürchtungen mit deinem Arzt. Dieser wird die Krankheitsgeschichte erheben, mehr über die Geburt erfahren wollen und über mögliche Fehllagen im Mutterleib, Untersuchungen durchführen, eventuell dein Baby röntgen und dann feststellen, ob dein Baby eine besondere Behandlung wie etwa eine Manualtherapie oder Osteopathie benötigt.
Modediagnose KiSS-Syndrom?
Schulmediziner halten das KiSS-Syndrom für Unfug und nicht für eine Krankheit, sondern für erfunden. Beidermanns Therapieerfolge wurden bisher noch nie nach gültigen Standards wissenschaftlich geprüft. Schulmediziner finden für die bevorzugte Blickrichtung von Babys eine einfache Erklärung.
Wenn es gegen Ende der Schwangerschaft im Bauch enger wird, dann müssen Kinder in ein und dieselbe Richtung schauen. Es fehlt der Platz, um sich noch ausreichend zu bewegen. Häufig bevorzugen Babys diese Richtung dann auch nach der Geburt – das fühlt sich an wie ein steifer Hals. Ein verschobener Wirbel sei bei Neugeborenen nichts Ungewöhnliches. Und weil sich Eltern nicht mehr über die Bauchlage trauen aus Angst vor dem plötzlichen Kindstod, sondern ihr Kind meist auf den Rücken legen und selten tragen, kommt es zu dem typisch abgeflachten Kopf. Glaubt man Schulmedizinern, wachsen sich diese Symptome aus, wenn Eltern ihr Baby nur gut genug beobachten und es z.B. immer von der anderen Seite ansprechen, damit ihr Baby den Kopf drehen muss, es mehr tragen oder auch seitlich bzw. auf den Bauch legen. Durch diese Gegenmaßnahmen würden auch die Therapieerfolge erzielt werden, doch diese seien ein normaler Prozess.
Was Schulmediziner auch noch kritisieren: Viele Eltern ruhen sich gerne auf der Diagnose KiSS-Syndrom aus und übersehen dabei vielleicht schwerwiegende Krankheiten und Störungen.
Warum sich Eltern dennoch an dieser Diagnose festklammern ist für Schulmediziner klar. Sie fühlen sich in ihrer Annahme bestätigt, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Das beruhigt die Eltern und führt dazu, dass sie im Umgang mit ihrem Kind entspannter werden. Sie haben einen Namen für „etwas“ bekommen, das ihnen aufgefallen ist. Und allein durch die Entspannung in der Familie entspannt sich das KiSS-Syndrom schon von ganz alleine.