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Unser Kind ist ein ‚Gewohnheitstier‘ und hat öfters ein bisschen damit zu kämpfen, wenn es um diverse Umstellungen geht (Beispiel Sommer-/Winterkleidung). So ist es nun auch ungewohnt, wenn plötzlich zwischen Hose und Körper eine Unterhose anstelle der Windel hinkommen soll. Unser Kind weiß, wann es aufs Klo muss, kann auch bewusst auf’s Klo gehen, jedoch schaffen wir es nicht, ohne Windel, aber mit Kleidung das Haus zu verlassen.
Gibt es jemanden, der hier Erfahrungen dazu hat? Danke, Ramona
Liebe Ramona,
du sprichst ein ganz wichtiges Thema an und ich möchte dir dazu ein wenig von uns erzählen. Auch meine Tochter, heute 7 Jahre alt, ist hochsensibel. Dass ihre Besonderheit einen Namen hat, erfuhr ich erst vor etwa 3 Jahren – und hätte ich es früher gewusst, wäre ich anders auf sie eingegangen. Meine Tochter war mir oft ein Rätsel, ehe ich jetzt verstanden habe, was sie bewegt und was sie braucht. Viele alltägliche Schwierigkeiten, die wir sonst hatten, legten sich durch eine Änderung unseres Verhaltens. So hörte sie auf mit dem Daumen lutschen, sie öffnete sich mehr nach außen, sie konnte mit Übergängen besser umgehen und bekam ihre festen Strukturen und ihren geplanten Tagesablauf, den sie als Orientierung brauchte. Vorbei waren die Zeiten mit selbstbestimmt schlafen – es gab einen Rhythmus und es tat ihr gut. Aber ein Thema blieb: Sauber werden. Bis heute. Wir haben schon vieles ausprobiert: Sensorische Integration, die ihr durchaus für ihre Entspannung und ihr Gleichgewicht geholfen hat, eine Klingelhose, die sich entgegen meiner Sorge als liebevoller Begleiter herausstellte, verschiedene Unterhosen, Einlagen, Stoffwindeln, Zeit geben, einen Unterhosentag, …. mal sind diese Versuche von Erfolg gekrönt, mal ändert sich gar nichts. Irgendwann habe ich es einfach akzeptiert und sie gefragt, was sie braucht und wie ich ihr helfen kann. Und immer wieder habe ich sie angestupst, Neues zu probieren.
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Bestärken, Nein zu sagen
Ich finde es unglaublich wichtig, hochsensible Kinder darin zu bestärken „Nein“ zu sagen, wenn eine Situation sie überfordern würde. Das sage ich ihr immer wieder. Wenn ihr etwas zu viel wird, wenn sie mit einem Film z.B. nicht zurecht kommt, wenn sie eine Ruhephase braucht, dann darf sie es immer sagen. Auch in der Schule. Ja, sie hat schon lieber Arbeitsblätter ausgefüllt, als mit den anderen Kindern einen Film zu schauen – warum? Weil sie visuellen Reize sie überfordern. Genauso hat sie im Kindergarten Gruppenaktivitäten abgelehnt. Nein zu sagen und zu wissen, dieses Nein wird respektiert, ist für ein hochsensibles Kind wichtig zu wissen. Wenn sie sich also gegen eine Windel entschieden hat, dann akzeptierte ich ihr Nein. Genauso weiß ich aber, dass meine Tochter immer wieder kleine Anstupser braucht, um sich auf eine neue Situation einzulassen – das muss nicht für jedes Kind passen. Wenn dein Kind also lieber eine Windel als eine Unterhose trägt, dann würde ich ihn in diesem Wunsch ernst nehmen.
Bei deinem Kind geht es aber weniger ums sauber werden, sondern um das Zulassen einer Veränderung.
Hochsensible Kinder und Veränderungen
Bei deinem Kind ist es ja so, dass es trocken ist, aber eben die Windel nicht hergeben möchte. Kein Wunder, die Windel ist ihm ein von Anfang an vertrautes Objekt, das es an sich trägt. Genauso wie ein Kuscheltier oder ein Schnuller. Von dieser Perspektive betrachtet erscheint es dann logisch, dass der Abschied schwer fällt. Noch dazu bietet die Windel ein Gefühl von Begrenzung, eine wohlige Wärme, Feuchtigkeit und damit auch ein Gefühl von Entspannung. Viele hochsensible Kinder tun sich mit Veränderungen und Verabschiedungen schwer und möchten es lieber so haben, wie es bisher war. Womöglich könnt ihr euch in kleinen Schritten nähern.
- Nimm den Druck raus. Bis gut 6 Jahre haben Kinder Zeit, sauber zu werden. Dazwischen gibt es viele Höhen und Tiefen.
- Lass das Thema „sauber werden“ nicht zu einem Machtkampfthema werden, das sich negativ auf eure Beziehung auswirkt.
- Denke immer daran, dass dein Kind dich nicht ärgern möchte, sondern seine Umgebung nur viel intensiver wahrnimmt.
- Vielleicht kannst du eine Unterhosenzeit einführen, wenn sich dein Kind dadurch nicht zu stark unter Druck gesetzt fühlt?
- Vielleicht kannst du einen Zwischenschritt einführen und eine zweite Windel verwenden: Eine Windel bleibt immer sauber, in die andere macht dein Kind Pipi. Wenn dein Kind dann muss, dann zieht ihr zuerst die Windel um – das könnte ein Beginn sein.
- Vielleicht probierst du auch andere Materialien aus wie eine Vlies-Unterhose, die nicht so kratzt.
- Vielleicht bietest du ihm eine Badehose an statt einer Unterhose.
- Oder du verwendest Trainerhosen statt normalen Unterhosen.
Die Windel wird für dein Kind auch viel mit Entspannung zu tun haben – dieses Gefühl fehlt ihm vielleicht bei der Unterhose, weil es etwas Neues ist. Vielleicht wird dein Kind seine Windel erst ablegen, wenn es sich auch ohne ihr ganz sicher fühlt.
Wenn deinem Kind diese Umstellung zu viel ist, dann würde ich die Verantwortung bei im lassen und ihm zu 100% vertrauen. Es gibt immer wieder Entwicklungssprünge und vielleicht passt es beim nächsten Sprung – und dann ganz ohne Druck.
Hochsensibel und sauber werden
Hochsensible Kinder reagieren auf Umstellungen meist stärker als „normalsensible“ Kinder. Von daher ist auch das Thema „Sauber werden“ ein ganz großes. Zwar beginnen hochsensible Kinder altersgemäß zu laufen und zu sprechen und nach außen hin scheint alles „normal“ zu sein – bis sie aber sauber sind oder auf den Schnuller bzw. Daumen verzichten können, kann es ungleich länger dauern.
Was mir bei diesem Thema und dem gesellschaftlichen Druck geholfen hat ist, mich von manchen Erwartungen und Vorstellungen zu verabschieden:
Weder muss mein Kind irgendwie mit der Masse schwimmen, noch kann ich ihr Leben kontrollieren oder sie von meiner Meinung überzeugen. Je mehr Raum und Freiheit ich ihrer Hochsensibilität gegeben habe und mich damit auseinandersetzte und darauf einstellte, desto geringer wurde der Druck, sie müsse mit irgendeinem Alter irgendetwas können. Ja, sie ist 7 Jahre alt und nässt bis heute noch ein. Aber ich weiß heute, dass sie das nicht mit Absicht macht, sondern dass sie in diesem Moment einfach überfordert ist und mehr Unterstützung und Begleitung braucht, um wieder entspannt und im Gleichgewicht zu sein. Und da helfen uns Ideen aus der sensorischen Integrationstherapie.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Gedankenanstöße mit auf euren Weg geben.
Alles Liebe, Anna von welovefamily