Hochsensibel: Schule als Wohnzimmer

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Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade #schule, die vom Blog „Die Physik von Beziehungen“ ins Leben gerufen wurde. Nicola Kriesel fragt danach, wo unsere Kinder zur Schule gehen und ich möchte ein wenig davon berichten unter dem Aspekt der Hochsensibilität.

Seit 3 Tagen ist es bei uns wieder unruhig und irgendwie laufen wir noch alle neben der Spur. Die Schule hat wieder begonnen. Nach 9 Wochen Sommerferien, Energien auftanken, leere Akkus füllen, in den Tag leben und auf die Zeit vergessen, klingelt jetzt schon um 6 Uhr mein Wecker. Ich husche noch ins Bad und gönne mir meine 10 Minuten für mich alleine mit einer Tasse Kaffee, ehe die Kinder um halb sieben geweckt werden. Viel zu früh nach ihrem Biorhythmus. Aber um 8 Uhr beginnt die Schule. Besonders mein hochsensibles Kind kämpft mit der Umstellung. Ersichtlich an tiefen, roten Augenringen, weil sie eine Nachteule ist, die kaum vor 10 Uhr ins Bett geht. Sie war immer schon besonders und anders als ihre Geschwister.

Angeboren

Sie wurde nicht erst hochsensibel, sondern sie wurde so geboren. Sie war als Baby eines, das nicht überall einschlafen konnte, das viel weinte, beinahe ständigen Körperkontakt suchte und mit allem überfordert war, das von der Routine, die sie verlange, abwich. Sie war immer schon besonders, das war mir klar. Dass es dafür einen Namen gibt, wusste ich lange nicht – stattdessen befand ich mich Jahre auf der Suche nach Wegen und Möglichkeiten, sie in ihrer Besonderheit zu unterstützen und anzunehmen.

Hochsensible Menschen fühlen intensiver. Sie fühlen mehr. Das kann Fluch und Segen zugleich sein.

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Rückblick: Kindergarten

Es war schon beim Kindergarten so, dass sich die Eingewöhnung, nun ja wie sage ich es, schwierig gestaltete. Sie war überfordert: zu laut, zu fremd, zu viel. Wir hatten damals Glück auf eine sehr achtsame und feinfühlige Pädagogin zu treffen, die mich in meinem Gefühl bestärkte, dass ihr der Kindergarten gut tun würde. Immer wieder war ich hin- und hergerissen, ob sie nicht doch zu Hause besser aufgehoben wäre – besonders in jenen Phasen, wenn sie in der Früh bitterlich weinte und ich sie zum Kindergarten tragen musste, weil sie einfach nicht wollte. Mehrmals hatten wir diese anstrengenden Tage/Wochen/Monate und immer war ich kurz davor, meinen Job an den Nagel zu hängen und die Kündigung für den Kindergarten zu unterschreiben. Mir tat es im Herzen weh, sie so zu sehen und zu wissen, ich kann nichts tun, außer ihr mal einen Tag zu Hause Urlaub zu gönnen, die Nachmittage ruhig zu gestalten und ihr die Körpernähe nachts zu geben, die sie untertags vermisst. Aber immer genau in diesen Phasen merkte ich, dass sie über sich hinausgewachsen ist. Es war ein holpriger Weg, begleitet von vielen Höhen und Tiefen. Hätte es damals ihre Pädagogin nicht gegeben, die auf eine enge Zusammenarbeit mit „Dorfcharakter“ und erweitertem Wohnzimmer Wert legte, ich hätte wohl aufgegeben, weil ich an vielen Stellen nicht mehr die Kraft hatte. Ein wenig Sorge hatte ich dann auch, wie es wohl in der Schule werden würde – was würde ich tun, wenn sie sich nicht zurechtfindet? Sie zu Hause unterrichten? Möglich wäre es in Österreich ja.

Der Freilerner – Schule zu Hause?

Schulsuche

Sie ist ein Kind, das Zeit braucht. Zeit anzukommen, Zeit sich einzufinden. Genauso wie sie als Baby länger Zeit brauchte um in der Welt anzukommen, brauchte sie es auch im Kindergarten. Also musste ich eine Schule finden, die ihr dafür die Möglichkeit bietet und nicht schon in der ersten Schulwoche verlangt, dass die Kinder lernen und Hausübungen machen. Im ersten Step der Schulsuche schieden alle Regelschulen aus – meine so lieb gepflegten Vorurteile konnte ich nicht so schnell über Bord werfen.

Wir setzten uns mit alternativen Schulformen auseinander, schauten uns mehrere Schulen an, führten viele Gespräche und bekamen immer die Info, dass die Wartelisten lang sind und das Schulgeld teuer. Wer da mehr als ein Kind hat steht vor einer finanziellen Herausforderung – und wir hatten ja noch zwei weitere. Aber für mein Kind hätten wir es irgendwie finanziert und dafür auf andere Sachen verzichtet. Es sollte ihr gut gehen. Doch was würden wir tun, wenn wir keinen Platz bekämen?

Wir brauchen eine Alternative: Also öffnete ich meinen Blick in Richtung Regelschulen, die normalen städtischen, und entdeckte dabei eine Schulform, die mich gleich ansprach: Mehrstufenklassen. Reformpädagogisch angehaucht. Wir hatten Glück: Es gab gleich eine Schule bei uns in der Nähe, die eine Mehrstufenklasse hatte. Also habe ich angerufen, bin hingegangen und durfte drei Vormittage schnuppern. In dieser Klasse fand ich eine Wohnzimmeratmosphäre vor mit Spielecke, Kuschelecke, Lerngemeinschaften, Kinder, die am Boden arbeiteten, Kinder, die gerade Pause machten weil sie es brauchten, Kinder, die rechneten, schrieben, bastelten. Alles nach eigenem Tempo und eigenem Interesse. Es wurde gekichert, gemeinsam gelernt und erklärt. Die Kinder wirkten bei sich, ausgeglichen und fröhlich. Mein Bauchgefühl schrie ganz laut: Das ist es! Da passt mein Kind hin! Keine Noten, keine Hausübungen, kein Druck, viel Freiarbeit nach eigenem Tempo und Zeit für die eigenen Entwicklung, viel Zeit in der Natur und viele Ausflüge.

Hoffnung: Schule

4 Plätze waren frei – 13 andere Kinder hatten auch noch Interesse. Es war ein bangen und zittern.

Wir hatten Glück und bekamen eine Platzzusage. Der Einstieg klappte gut – viel besser als im Kindergarten. Sie hatte sich schnell eingefunden, erzählte mir schon in der ersten Woche von einer neuen Freundin, hatte Spaß am Lernen und war nachmittags so erschöpft, dass sie 2-3 Stunden schlief. Täglich. Ich behaupte, es dauerte gut ein Jahr, bis sie wirklich ganz angekommen ist und mit der neuen Situation umgehen konnte. Das Lernen fiel ihr erstaunlich leicht. Sie liebt rechnen, sie verschlingt ein Buch nach dem anderen und schreibt gerne. Sie kommt oft in den Flow hat mir die Klassenlehrerin am Elternsprechtag gesagt. Das können nicht viele Kinder heute, meinte sie. Ich war so glücklich, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Obwohl ich sie nie in einer Regelschule gesehen habe glaube ich, die beste Möglichkeit gefunden zu haben. Ja, sie wird immer das leise, introvertierte Kind sein, das nur 1-2 Freunde hat und bei Gruppenaktivitäten lieber zuschaut als mitmacht, die Referate nicht vor der Klasse stehend erzählt, sondern sitzend im Kreise der anderen, die sich gerne mal zurückzieht und ihre Kopfhörer aufsetzt, wenn ihr gerade alles zu laut wird. Sie wird auch immer das Kind sein, das nachts gerne noch Nähe auftankt, wenn gerade mal alles zu viel ist, die bei großer Aufregung einnässt und regelmäßig ihre Ausbrüche hat, um Stress und Wut rauszulassen. Aber hier darf sie sein, wie sie ist und wird nicht zu einem Menschen geformt, der sie nicht ist. Sowohl in der Schule, als auch zu Hause. Und dafür bin ich sehr dankbar.

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1 KOMMENTAR

  1. DAs erinnert mich sehr an meine Tochter. Ich erkämpfte ihr einen Vorschulplatz in der Schule meiner Wahl mit wenigen Klassen, da ich es für nicht sehr sinnvoll empfand, sie in eine große Schule gehen zu lassen, da sie mit Lärm und viele Leuten nicht umgehen kann. Ich habe ihr somit etwas Zeit verschafft und sie konnte sich eingewöhnen. In der 1. Klasse kam dann zum Glück ihre Kindergartenfreundin dazu. Die beiden sind im Wesen ziemlich gleich und somit sind die beiden zusammen Anker und Hafen…..Mich ärgert nur, dass manche Menschen einfach nicht verstehen, dass andere mehr Zeit brauchen. Nicht alle Menschen sind gleich. Sie hielten meine Tochter für abnormal und sie müsse zum Arzt, da sie nicht richtig im Kopf ist. Das tat mir wirklich weh!