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Abschied vom Familienbett. Du kennst dieses Gefühl bestimmt auch: Es macht sich so in der Bauchgegend breit und intuitiv spürst du, dass sich etwas ändert. Zumindest bei mir war dieses Gefühl schon immer da. Immer, wenn die Kinder einen der berüchtigten „Phasen, Sprünge oder Schübe“ hatten, immer, wenn sie krank wurden, immer, wenn sie wieder einen Schritt vorwärts machten. Vor ein paar Wochen hatte ich dieses Gefühl wieder und siehe da: Ich hatte Recht, es hat sich etwas verändert. Abschied vom Familienbett.
Abschied vom Familienbett
Was vor gut 10 Jahren für mich noch ganz komisch erschien und sich auch phasenweise nicht richtig anfühlte, wurde mit zunehmender Kinderanzahl Realität und liebgewonnenes Ritual. Ich muss gestehen, ich war kein überzeugter Anhänger des Familienbetts – eher hat mich mein Kind dazu „gezwungen“ unsere Schlafsituation zu überdenken und mich zu fragen, ob es wirklich so klug ist, alle zwei Stunden nachts zum Stillen aufzustehen und am nächsten Tag völlig gerädert zu sein.
Meine Erstgeborene war es, die mich zum Umdenken brachte und schrittweise in unser Bett wanderte. Parallel dazu legte ich mir schon mal ein dickes Fell zu, denn ich war in meinem Umfeld mit dem Familienbett schon eher ein Exot. Die mehrheitliche Meinung war, dass Kinder ihr eigenes Bett brauchten und am besten im eigenen Zimmer. Ich sage da gar nichts dagegen, wenn es passt. Aber ich war mit keinem Kind gesegnet, das durchgeschlafen hat. Muss es ja auch nicht. Ich musste alle zwei Stunden raus. Und das zehrt an den Kräften. Der Schlafentzug machte mich für jede ruhige Minute mehr sehr dankbar und so wählte ich den Weg des geringsten Widerstandes, bis ich es mir ohne ein Familienbett nicht mehr vorstellen konnte und die Vorzüge tatsächlich genoss.
Ein Familienbett mit mehreren Kindern?
Dann wurde die Schwester geboren und plötzlich standen wir vor der Frage, ob denn ein Familienbett auch mit zwei Kindern möglich sei. Ganz selbstverständlich schliefen also nun zwei Kinder bei uns im Bett und entgegen all meinen Befürchtungen waren es nur wenige Nächte, in denen sie einander gegenseitig aufweckten. Sie gewöhnten sich schnell aneinander und suchten auch nachts immer wieder die Nähe. Oft lagen sie händchenhaltend nebeneinander oder kuschelten sich Rücken an Rücken. Diese Momente erfüllten mich immer mit großer Dankbarkeit und machten so manche Anstrengungen des Tages wieder gut. Das Familienbett wurde zu einem Ort, an dem wir Kraft tankten.
Haben die keine eigenen Betten?
Je älter die Kinder wurden, desto weniger wurde es von anderen Menschen toleriert, dass sie bei uns im Bett schlafen. War mir aber eigentlich sehr egal. Irgendwann wurden wir gefragt, ob unsere Kinder denn keine eigenen Betten hätten: Doch, sie hatten welche und sie benutzten sie zum Kuscheln untertags, wir machten es uns darin zum Vorlesen gemütlich oder wir nutzten die Betten als „Ausweichquartier“, wenn einer von uns krank war. Das Bett war immer ein Ort des Ankommens, des „Ruhig-werdens“, des Kuschelns und der Harmonie.
Es war nie ein Zwang, dass sie bei uns schlafen, sondern sie konnten selbst entscheiden und das taten sie auch. Die Erstgeborene startete so mit drei Jahren ihren ersten Auszugsversuch und schlief zumindest in ihrem Bett ein, kroch dann in der Nacht aber doch gerne noch zu uns ins Bett. Das machte sie gut ein Jahr, ehe sie gemeinsam mit ihrer Schwester auswanderte und in einem Bett schlief. Zumindest einen Teil der Nacht. Dennoch kamen sie nachts immer wieder gerne zu uns und schlüpften unter unsere Decke. Es waren also fast 10 Jahre, in denen wir immer in der Früh mit einem oder mehreren Kindern aufwachten.
Zu fünft im Familienbett
Als dann unser drittes Kind geboren wurde, waren wir bereits wieder an Stunden ohne Kinderfüße unter der Decke gewohnt. Von einer Nacht auf die andere hatten wir jedoch wieder drei Kinder bei uns. Die „Großen“ wollten ihrer kleinen Schwester nahe sein und so kam es oft, dass ein Kind quer über unseren Köpfen schlief, eines zwischen uns und eines bei den Beinen. Ich brauche jetzt wohl nicht zu betonen, dass diese Schlafsituation für uns alle eher anstrengend, statt erholsam war.
Dass war die Zeit, als ich auch begann, am Familienbett zu zweifeln und ob es wirklich zu uns passt. Doch die Kinder einfach in ihre Betten zurückschicken? Ich brachte es nicht übers Herz und so verging auch fast ein halbes Jahr, in dem wir uns zu fünft ein Bett teilten. Schräge Blicke ernteten wir oft dafür wenn wir erzählten, dass auch unsere dann fast 6-jährige Tochter noch immer bei uns schläft. Ich erkannte an den Blicken die Aufforderung, dass sie doch schon groß genug sei um in einem eigenen Bett zu schlafen und es für das Kind schlecht ist, wenn es im Familienbett schläft. Allerdings sah ich es nicht so. Ich vertraute meinen Kindern. Ich vertraute darauf, dass sie den Abschied vom Familienbett bestimmen.
Familienbett ist kein Zwang
Das Familienbett stand den Kindern immer offen. Es war eine Option von vielen anderen. Sie wurden nicht gezwungen. Jeder konnte sich aussuchen, wo er am besten schläft und wenn einmal alle Stricke oder Geduldsfäden rissen, dann teilten wir uns auf. Schlafen wurde bei uns sehr flexibel, aber es wurde nie ein stressbesetztes Thema oder eines, bei dem ich Druck aufbaute. Ich ließ den Dingen ihren Lauf und genoss es, in der Früh mit allen Kindern aufzuwachen und abends mit ihnen einzuschlafen. Ihren Atem auf meiner Haut zu spüren und zu fühlen, wie sie unsere Nähe suchen. Ich sah ihnen gerne beim Schlafen zu und fragte mich oft, was wohl in ihren Köpfen vorgeht.
Ich will jetzt gar niemandem mit dem Familienbett bekehren oder sagen, dass es immer soooooo toll war. Es gab Zeiten, da habe ich es verflucht. Da habe ich mir den Abschied vom Familienbett gewünscht. Dann, wenn ein Kind die halbe Nacht durchhustete, wenn wir krank waren und sie dennoch unsere Nähe suchten, wenn sie unruhig waren oder nicht zur Ruhe kamen – das war anstrengend. Es war nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen und es machte auch nicht Spaß, Hände und Füße im Gesicht zu haben. Manchmal haben wir auch über die Wohnung verteilt geschlafen oder im Wohnzimmer ein Matratzenlager aufgeschlagen – wir haben irgendwie alles erlebt. Ja, sogar das Kind, das wir in der Früh in der kalten Badewanne mit Decke und Polster vorfanden. Es gibt beim Familienbett kein richtig und falsch und das möchte ich auch nicht vermitteln. Jede Familie muss für sich entscheiden, wie sie am besten schläft. Verfechter jeder Seite haben ihre berechtigten Argumente, die ich auch schätze und verstehen kann.
Abschied vom Familienbett: Es regelt sich von selbst
Wenn ich mich an all die schiefen Blicke und Kommentare zu unserer Schlafsituation erinnere, angefangen von, „ich würde mich auf mein Kind rollen und es nicht merken“, bis hin zum „Verwöhnen“ und „das Kind bekommst du nie wieder raus“, dann merke ich, dass sich all diese Stimmen irgendwann beruhigten und nichts mehr sagten. Wir waren halt „die“ mit dem Familienbett. Mit diese Stempel konnte ich aber gut leben. Ich vertraute darauf, dass mit Liebe, Nähe und Geborgenheit die Kinder ihren Weg gehen werden und nicht noch den ersten Freund mit zu uns ins Bett nehmen.
Abschied vom Familienbett: Der Tag X
Doch es kam nun der Tag X – der Tag, an dem sich alles änderte. Der Abschied vom Familienbett stand bevor. Eigentlich war es ja kein bestimmter Tag, sondern ein Prozess, der sich langsam entwickelte. Dass wir nur noch mit einem Kind das Bett teilen, daran hatten wir uns gewöhnt. Auch daran, dass sie nachts gerne mal zu ihren Schwestern ins Geschwisterbett tapste (ja, genau umgekehrt). Jetzt kommt sie aber gar nicht mehr. Dabei wird sie doch erst vier. Jetzt schläft sie bei ihren Schwestern ein und bleibt entweder dort oder sie wandert dann nachts in ihr Bett. Das Bett mit der großen Kuschelhöhle, die sie sich selber baute. Sie erzählt dann voller Stolz, dass sie alleine geschlafen hat und keine Angst hatte, weil sie wusste, wir sind ja eh da. Sie weiß, dass sie uns vertrauen kann und dass sie immer einen Platz in unserem Herzen und unserem Bett hat. Egal, wie alt sie ist. Sie bleibt immer unser Kind.
Heute ist unser Bett ganz schön leer und es fühlt sich noch ungewohnt an, wieder so viel Platz zu haben. Fast jeden Abend stellen wir fest, dass da etwas fehlt. Und fast jeden Abend warten wir darauf, dass doch die Tür aufgeht und eines der Kinder zu uns huscht. Je größer die Kinder werden, desto mehr ändert sich die Nähe, die sie einfordern und brauchen. Was mich vor Jahren noch teilweise auf die Palme brachte, sind heute seltene Momente, die ich genieße: Etwa, wenn dann doch mal wieder jemand unter die Decke kriecht und sich an uns kuschelt. Der Abschied vom Familienbett fällt uns deutlicher schwerer, als wir es uns gedacht hätten.